Unverschämt verspätet, vielleicht maßlos überteuert, aber wahrscheinlich ziemlich gut – das DigitalRadar Krankenhaus

Diese Woche startet der reguläre Versand der Zugangsdaten zur Reifegradmessung I, die eigentlich Ende Juni hätte starten sollen. Die Kommunikationsstrategie des Konsortiums DigitalRadar und des BMG war lange Zeit von Schweigen und verbalem Minimalismus geprägt. Das hat nun ein Ende und wohlmöglich hat sich die Investition von 5,5 Mio. € für die Beauftragung einer „geleiteten Onlinebefragung“ tatsächlich gelohnt.

Viel Geduld und Verständnis verspielt – Warum?

Monatelange Verzögerungen im Vergabeverfahren; keine Informationen über den Stand der Verhandlungen; große Unsicherheit bei den Kliniken über die zeitliche und inhaltliche Ausgestaltung – noch einen Monat vor dem offiziell festgelegten Start spekulierte das Handelsblatt, dass die Reifegradmessung zwischen Juli und September zu erfolgen hat.

Die Informationspolitik des BMG und des Konsortiums rund um den deutschen Ableger der US-amerikanischen Healthcare Information und Management Systems Society (HIMSS) war unerhört.

Sie befeuerte den schon vorhandenen Frust über kurzfristige Änderungen und fehlende Informationen rund um das KHZG und die verbundenen Prozesse und Formalia (Antragsverfahren, Nachweise, Budgets, vergaberechtliche Vorgaben, Fristen und Fristverschiebungen, dysfunktionale Portale…).

Persönlich habe ich nur wenig Verständnis, warum man nicht zumindest grob skizziert hat, was auf die Krankenhäuser wann zukommen wird. Ich bin mir sicher, dass dies bereits dem Konzept des ersten Angebots im Vergabeverfahren zu entnehmen war.

€ 2.873,56 pro Krankenhaus für ein einfaches Webformular?

Am Ende läuft die Reifegradmessung auf eine Befragung in Form eines Webformulars hinaus, wie man es mit zahlreichen Tools im Internet oder auch Microsoft Forms in wenigen Minuten erstellen kann. Geradezu absurd wirkt die Summe von 5,5 Mio. €, die das Konsortium für diesen Auftrag erhält. Die Beteiligten beschäftigen sich seit vielen Jahren mit Modellen zur Reifegradmessung und die Adaptierung der KHZG-Inhalte auf das etablierte EMRAM-Modell erscheint für das Kollektiv an namhaften Expert:innen wenig herausfordernd.

Vielleicht ist es aber genau diese Mischung an ambitionierten Expert:innen und Institutionen sowie ein hoher methodischer Anspruch, die sowohl zu den Verzögerungen als auch der spärlichen Informationspolitik geführt hat. Vielleicht wollte man lieber nichts sagen als etwas Falsches, dass man revidieren müsste. Vielleicht hat es viel Zeit in Anspruch genommen, einen strukturierten wissenschaftlichen Diskurs dieser Komplexität (aufgrund der vielen Stakeholder) hinreichend zu Ende zu diskutieren und vielleicht hat man mit großer Gewissenhaftigkeit die Pilotphase analysiert und in das Verfahren eingeflochten.

Die aktuellen Informationen lassen mich hoffen, dass genau dies der Fall ist.

Die geschürten Erwartungen sind hoch – jetzt muss geliefert werden

Das Gesamtmodell scheint gut durchdacht (z. B. transparente Anbindung an EMRAM und KHZG-MUSS-Kriterien). Der Erhebungsprozess erprobt und tatsächlich nutzerzentriert entwickelt (z. B. Delegationsfunktion für Themenbereiche via einfacher E-Mail-Adressen-Angabe). Die Ergebnispräsentation modern und erkenntnisstiftend (umfangreiches Ergebnis-Dashboard mit Drill-Down-Funktion). Das Ganze garniert mit mannigfaltigen Supportkanälen (E-Mail, Telefon, FAQ, Workshops…) und dem Versprechen einer umfangreichen wissenschaftlichen Begleitung sowie kontinuierlichem Lernen und Verbessern der Methodik.

Wenn die Versprechen gehalten werden, dann könnte die Reifegradmessung sowohl jedem einzelnen Krankenhaus als auch der Gesellschaft im Ganzen einen großen Mehrwert generieren. Das einzelne Krankenhaus hat die Möglichkeit die eigene Position und Entwicklung einzuordnen und zu vergleichen. Dem Erhebungsprozess ist dabei ein informierendes und sensibilisierendes Moment inhärent. Zumindest der multiprofessionelle Personenkreis, der an der Befüllung beteiligt ist, wird sicherlich einen besseren Blick auf den eigenen Reifegrad und dessen Entwicklung haben. Aber die Chance ist sehr groß, dass alle Entscheider:innen in den Krankenhäusern die Kernerkenntnisse der Reifegradmessung z. B. in Form von Dashboard-Analysen präsentiert bekommen.

Für die Gesellschaft und Wissenschaft wird ein statistisch sauberer und umfangreicher Datensatz zur Verfügung gestellt, der massenhafte Forschungspapiere und sicherlich viele Erkenntnisse hervorbringen wird. Ich hoffe, dass die Daten schnell und umfänglich der Forschung frei zur Verfügung gestellt werden. Wenn wir die Digitalisierung Mehrwert-stiftend voranbringen wollen, müssen wir Erfolgsfaktoren und ihren spezifischen Nutzen gut verstehen.

Was ich dann meinen Student:innen bei ihren Suchen nach einer Abschlussarbeit empfehlen werde? Raten Sie mal.

Alle wesentlichen Informationen zum DigitalRadar finden Sie hier: https: //www.digitalradar-krankenhaus.de/

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