Bei Plattformen denken wir schnell an Facebook, Amazon und Google. Wirtschaftlich erfolgreiche Unternehmen mit unglaublichen Wachstumsraten und einem (zunächst) sehr spezifischen Leistungsangebot, weit weg vom Gesundheits- und Sozialwesen. Diese Plattformen machen allerdings den Kern des Prinzips Plattform deutlich. Den Nutzern werden adressatengerecht standardisierte Lösungen für spezifische Probleme angeboten. Einmal implementiert, lässt sich die Plattform beliebig skalieren und gemeinsam mit der „Community“ weiterentwickeln. Der abgebildete Prozess, z. B. das Finden einer Information oder Kauf einer Ware ist deutlich effizienter und attraktiver gelöst. Dieses Prinzip lässt sich auf viele komplexe Prozesse in Unternehmen des Gesundheitswesens übertragen - egal ob interne Kommunikation und Kollaboration, Verwaltungsleistungen in Form von Shared Services, Terminmanagement oder den Einsatz digitaler Gesundheitsanwendungen.
Ein geeignetes IT-System inklusive Software und ansprechender User-Experience zu finden macht nur die Spitze des metaphorischen Eisbergs aus. Die größte Herausforderung und das größte Potenzial einer Plattform liegt in dem damit einhergehenden Wandel des abgebildeten Prozesses. Anstelle Aufgabenabarbeitung entlang von Zuständigkeiten, werden den „Aufgabenstellern“ (Nutzern) attraktive, aber standardisierte Angebote gemacht. Die einzelne Aktion des Nutzers verursacht nur noch einen vernachlässigbaren Aufwand. Routinetätigkeiten fallen weg oder werden unmerklich dem Nutzer als „self-service“ übertragen.
Die Plattform bietet nicht nur die Chance, die digitalisierten Prozesse effizienter zu gestalten. Die angebotenen Leistungen werden so auch transparenter und können über Service Level Agreements (SLA) mit einer klaren Qualität versehen werden. Versteckte Sonderwege und Ineffizienzen fallen weg. Dieser Paradigmenwechsel harmoniert mit den gestiegenen Ansprüchen von Arbeitnehmern und Klienten. Beide möchten selbstverantwortlich agieren und wenn möglich direkt Ergebnisse erzielen. Sei es bei der Terminvereinbarung, dem Zugriff auf relevante Unternehmensdaten, der Gestaltung des Dienstplans oder der Nutzung digitaler Gesundheitsanwendungen.
Plattformen sind so facettenreich wie der digitale Wandel selbst. Ob und wofür eine Plattformlösung im eigenen Unternehmen Sinn macht, sollte sorgfältig eruiert werden. Den Schaden, den eine schlechte oder fehlkonstruierte Plattform verursachen kann, ist nicht zu unterschätzen. Die richtige Plattformstrategie hängt dabei nicht nur von den „zu erledigenden Aufgaben“ ab, sondern hängt auch maßgeblich an den Bedürfnissen und Kompetenzen der Nutzer (z. B. Mitarbeitende, Patienten, Bewohner oder Angehörige) sowie der Unternehmenskultur und Innovationsfähigkeit. Projekte zur Plattformstrategie beginnen bei Borchers & Kollegen deswegen immer mit einer genauen Bedarfs- und Innovationsanalyse. Ausgerichtet an der Unternehmensvision und auf Basis der Bedarfe, wird anschließend ein Plattformkonzept entwickelt, welches eine initiale Lösung, wie auch den Weiterentwicklungsansatz beinhaltet. Schon in dieser Phase ist eine professionelle Kommunikation und der Einbezug der Nutzer von entscheidender Bedeutung. Entwicklung und Implementierung sollten mit Schulungen, Tests und iterativen Verbesserungsschleifen einhergehen. Der initiale Rollout ist dann nur ein Etappensieg. Eine gute Plattformstrategie zeichnet sich durch einen klaren und flexiblen Weiterentwicklungsprozess aus, der die Community nicht nur mitnimmt, sondern als integrativen Teil des Prozesses einsetzt.
Ob Terminvereinbarung, digitale Kollaboration, zentrales Bestellwesen oder die Interaktion von Behandlern und Patienten. Viele Prozesse in Unternehmen des Gesundheits- und Sozialwesens lassen sich digital abbilden. Eine Plattform kann dabei das richtige Werkzeug zur Komplexitätsbewältigung sein, diese digitalen Lösungen nutzerfreundlich zur Verfügung zu stellen und kontinuierlich weiterzuentwickeln. Sie bietet die Chance mit einem generellen Paradigmenwechsel einherzugehen, der interne und externe Interaktion effizient, nutzerzentriert und zukunftsfähig gestaltet.
Plattformen haben das Potenzial die Komplexität des digitalen Wandels nutzerfreundlich und effizienzsteigernd zu bewältigen. Die Frage wird nicht sein, ob man Plattformen einsetzt, sondern wie man sie zukunftsfähig gestaltet.
Dr. Jan Appel ist studierter Informatiker und Ökonom. Seit mehreren Jahren forscht er zur Digitalisierung in Deutschland und berät Unternehmen des Gesundheits- und Sozialwesens bei ihrer Umsetzung. Zuletzt hat er eine Plattform für über 500.000 jährliche Nutzer (Patienten, Behandler, Angehörige und weitere Stakeholder) konzeptioniert und zur Implementierung begleitet.
Jin Parakkadan ist als erfahrener IT-Leiter unter anderem vertraut mit dem Betrieb von Rechenzentren und der Optimierung von Infrastrukturen inklusive Anwendungsbereitstellung. Er ist Experte in der Planung und Umsetzung von Digitalisierungsprojekten in Krankenhäusern, MVZs und Pflegeschulen sowie Spezialist für Migration und Konsolidierung im Umfeld der Systemintegration.