Seit Monaten beschäftigen sich nun Software- und Unternehmensentwickler, Digitalisierer und Verantwortliche mit den Implikationen des KHZG. Es winken in Summe Fördermittel in Höhe von 4,3 Mrd. €. Die Antragsverfahren laufen schleppend an, insbesondere weil an vielen Stellen noch konkrete Antworten auf wesentliche Fragen zur praktischen Antragsstellung (zumindest bei komplexeren und länderübergreifenden Vorhaben) ausstehen.
Trotz ministerialer Informationsveranstaltungen, ausführlicher Richtlinie, Antragsformularen und Anlagen bleibt einiges offen. Wen kann man jetzt noch Fragen? Gibt es ausgewiesene KHZG-Experten mit exklusivem Geheimwissen? Bei Xing und LinkedIn melden sich scheinbar eben diese momentan im Stundentakt. Mitarbeitende der Krankenhaus-IT, IT-Dienstleister und komplette Beraterteams posten KHSFV-Zertifikate des Bundesamts für Soziale Sicherung und gratulieren sich gegenseitig. Die implizite und zuweilen explizite Botschaft lautet:
„Wir wissen Bescheid – und das mit Zertifikat!“
Mir ist klar, dass das Zertifikat obligatorisch für IT-Dienstleister ist, die Projekte umsetzen wollen die durch den KHZF gefördert und durch das BAS bewilligt werden sollen. Wirken Sie in leitender Funktion in diesem Projekt mit, müssen Sie dem BAS außerdem bestätigen, dass die technischen Voraussetzungen für die Anbindung und Nutzung des Systems gegeben sind.
Aber was lernt man in der zugehörigen Schulung? Gibt es hier vielleicht noch neue Erkenntnisse? Hat das BAS ein Ausbildungsprogramm für KHZG-Experten geschaffen? Auch wenn ich nicht als IT-Dienstleister auftrete, haben mich die unzähligen Posts neugierig gemacht:
52:37 Minuten später ist alles vorbei.
Mir ist es zu peinlich meine Kontakte bei LinkedIn nach dem Zertifikat zu fragen, weil dann rausgekommen wäre, dass ich noch nicht zu dem exklusiven Kreis der Zertifizierten gehöre und entscheide mich stattdessen den Selbstversuch zu wagen. Dienstagmorgen, eine große Tasse Kaffee, eine kleine Schale Nüsse und eine Flasche Wasser – wer weiß schon, wie lange das dauern mag. Ich erinnere mich an endlose Stunden in der Unibibliothek zurück und vertreibe den Gedanken schnell mit der Vorfreude vielleicht doch noch etwas Neues zum Thema zu erfahren. Und los geht’s!
Vom Aufrufen der Internetseite bis zum Download des personalisierten Zertifikats benötigte ich keine 60 Minuten.
„Keine Stunde vergangen – keine wesentliche Erkenntnis gewonnen.“
Anstelle umfangreicher Prüfungen wie ich sie aus Studienzeiten in Erinnerung habe, muss ich eher an die theoretische Führerscheinprüfung denken. 95 Prozent der Inhalte kennt man, wenn man vorher aufmerksam unterwegs war. Einzelne Spitzfindigkeiten, etwa konkrete Verweise auf Normen und Gesetzesstellen oder weniger relevante Details, muss man sich natürlich zusätzlich merken. Am Ende gibt es einen Multiple-Choice-Test und mit bestandener Prüfung verpufft alle Ehrfurcht, die man je für Personen hatte, die diese Prüfung vor einem absolviert haben.
Trotz der Ernüchterung und einer kleinen Enttäuschung keine neuen, exklusiven Informationen erhalten zu haben, komme ich nicht umhin der Schulung etwas Gutes abzugewinnen. Die Informationen sind gut aufbereitet und können wunderbar für einen Kompakteinstieg oder als Grundlage für Einführungsveranstaltungen genutzt werden. Das Zertifikat ist in seiner aktuellen Social-Media-Präsenz sicherlich überbewertet. Wer sich mit dem Thema bereits seriös beschäftigt hat, wird nicht viel lernen. Der Schaden einer einstündigen Wiederholung ist aus meiner Sicht allerdings verkraftbar.
Nur einen Denkfehler sollte man nicht begehen: Nur weil eine Person das Zertifikat besitzt, ist sie noch lange kein guter Ansprechpartner, Berater oder IT-Dienstleister für KHZG-Projekte. Es kann aber als erstes Indiz gesehen werden, dass die Person bereit war sich mit dem Thema zu beschäftigen (und das ist ja wohl das Mindeste).
Das Erfolgsrezept beim KHZG ist, wie so oft im Leben simpel, aber nicht mühelos: Die Ausgangssituation und mögliche Optionen gut analysieren, professionelle Kompetenz aufbauen oder einkaufen und strategisch sinnvolle Lösungen nachhaltig umsetzen. Aktionismus und Schnellschüsse winken mit schnellen Erfolgen, aber richtig Spaß machen die geförderten Projekte, wenn sie durch intelligente und zukunftsweisende Ansätze den Erfolg der nächsten Jahre ebnen. Digitale Tools sind schnell bestellt – ein nachhaltiger Wandel ist harte Arbeit mit vielen Facetten.