Die Kümmerer jetzt nicht verkümmern lassen!

Noch ein IT-Projekt – Puh, muss das sein?

Im politischen und gesellschaftlichen Diskurs ist es Konsens: Digitalisierung (soll) viele Probleme in deutschen Krankenhäusern lösen. In der Klinikpraxis ist es häufig andersherum: Das x-te Digitalisierungsprojekt lähmt den Betrieb. Die angekündigten Vereinfachungen und Effizienzsteigerungen greifen nach der Einführung nicht. Überschreitung von Fristen und Budgets sowie Frustration aller Beteiligten sind eher die Regel als die Ausnahme in IT- und Digitalisierungsprojekten.

Doch trotz dieser Wahrnehmung sind Digitalisierungsprojekte im Gesundheitswesen unerlässlich, um die Patientenversorgung in Zukunft zu gewährleisten und hoffentlich den Arbeitsalltag des medizinischen Personals zu erleichtern. Die Frage ist nicht, ob wir die Digitalisierung umsetzen, sondern wie wir in einer unvollkommenen Situation (Zeitdruck, Ressourcenmangel, geringer Veränderungswillen, …) möglichst effizient nachhaltige Lösungen schaffen.

Die Antwort liegt meiner Meinung nach im Kern nicht in Applikationen, Methodik oder Instrumenten, die sicherlich einen großen Einfluss haben. Die Antwort bzw. der entscheidende Erfolgsfaktor ist und bleiben die umsetzenden Menschen. In erster Instanz sind dies die Projektleiter:innen und Key-User:innen und die Entscheider, die sie beauftragen. Priorisierung, Schaffung von Freiräumen und dennoch klaren Vorgaben und Leitplanken sind kritische Kompetenzen heutige Geschäftsführungen. In zweiter Instanz stehen alle Personen, die sich direkt zur effizienten Nutzung der neuen Lösungen motivieren lassen. In letzter Instanz ist es eine Frage der Unternehmenskultur und digitalen Kompetenz der Mitarbeitenden.

IT-Projektleiter:innen fungieren als zentrale Figuren der Transformationsprozesse. Sie sind diejenigen, die im besten Fall den Wandel auf operativer Ebene vorantreiben, indem sie die Interessen der Stakeholder und Herausforderungen der Einführung in Einklang bringen. Im schlechtesten Fall erfüllen sie nur das formale Ziel einer technischen Einführung, lassen aber ineffiziente oder dysfunktionale Systeme und Prozesse sowie digitalisierungsmüde Mitarbeitende zurück.

Gute IT-Projektleiter sind in der Lage, sowohl das technische Verständnis als auch das nötige Fingerspitzengefühl für die Bedürfnisse der Mitarbeiter:innen und Patient:innen mitzubringen. Sie erfassen schnell, welche Veränderungen wirklich sinnvoll sind und wie sie am besten umgesetzt werden können. Dies beinhaltet insbesondere ein tiefes Verständnis der klinischen Prozesse. Zudem wissen sie, wie sie die Mitarbeiter:innen einbinden und ihnen die Angst vor der Digitalisierung nehmen können. Sie dienen als Motivator und Problemlöser der ersten Stunde.

Abbildung 1: B&K-Key-User:innen Canvas

Ab der zweiten Stunde sind allerdings kontinuierliche Motivator:innen, Problemlöser:innen und kreative Effizienzsteigerer:innen gefragt: Die Key-User:innen. Key-User:innen sind Mitarbeiter:innen aus möglichst allen beteiligten Fachlichkeiten, die als Multiplikator:innen, Botschafter:innen und Expert:innen für die jeweiligen IT-Lösungen fungieren. Sie kennen die Anforderungen ihrer Abteilungen genau und treiben die Gestaltung und Implementierung von Digitalisierungsmaßnahmen voran. Vor allem aber sorgen gute Key-User:innen in den Jahren nach der Einführung für eine kontinuierliche Steigerung der Effektivität und Effizienz bei der Nutzung der eingeführten Lösung.

Um das volle Potenzial von Key-User:innen und Projektleiter:innen ausschöpfen zu können, ist es unerlässlich, sie mit ausreichend Ressourcen, Kompetenz und Motivation auszustatten. IT-Projektleiter:innen wird häufig ein ausreichendes zeitliches Budget, sowie passende fachliche Weiterbildungen verwehrt. Key-User:innen sind regelmäßig bereits in ihrer regulären Tätigkeit mit unzureichenden zeitlichen Ressourcen ausgestattet, was zu einem Interessenkonflikt und einer lösungsschädlichen Doppelbelastung führt.

Fehlende Ressource, Kompetenz oder Motivation bei Projektleitung und Key-Usern zahlt sich aber vielfach negativ aus. Häufig ist die Schadensberechnung einfach: Eine fehlende Stunde beim Projektleiter oder Key-User führt zu N Stunden verlorener Arbeitszeit bei den ihm zugeordneten User:innen (in Anzahl N). Dieses Rechenmuster gilt, wenn eine nötige Fehlerbehebung, Erläuterung oder ein Durchdenken unterlassen wird und von jedem Einzeluser nachgeholt wird. Viel schlimmer sieht das Verhältnis aus, wenn durch eine „schlechte“ Projektleitung eine schlechte Gesamtlösung bzw. ein schlechter Prozess eingeführt wird. In diesem Fall kann der Schaden noch deutlich höher sein.

Indem wir den Kümmerern die nötige Aufmerksamkeit, Wertschätzung und Unterstützung zukommen lassen, können wir die Digitalisierung im Gesundheitswesen vorantreiben und eine bessere Versorgung für alle sicherstellen.

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